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Warum die Relevanz Indiens für deutsche Unternehmen deutlich zugenommen hat

Wie sehen die Geschäftserwartungen deutscher Unternehmen in Indien aus? Das haben wir gemeinsam mit der Deutsch-Indischen Handelskammer (AHK Indien) jetzt untersucht. Die zentrale Erkenntnis des German Indian Business Outlook 2023: Der Blick auf Indien hat sich verändert. Das liegt auch an den Derisking- bzw. Decoupling-Strategien der multinationalen deutschen Konzerne.

Insgesamt 99 Unternehmen haben an der Umfrage zwischen dem 17. April und 29. Mai 2023 teilgenommen. Sie sind für ihr Indiengeschäft sehr optimistisch. Das gilt für 2023 und noch stärker mit Blick auf die kommenden fünf Jahre. 71 Prozent erwarten im laufenden Jahr steigende Umsätze auf dem Subkontinent, 48 Prozent erwarten steigende Gewinne. Die Fünfjahresprognose ist sogar noch besser: 83 Prozent rechnen mit Umsatz- und 73 Prozent mit Gewinnzuwachs. Die Investitionspläne sind zudem wesentlich ambitionierter als noch in der letzten Umfrage im Jahr 2021. 

Steigende Bedeutung als Investitionsstandort

Die drei wichtigsten Standortfaktoren laut den Unternehmen: politische Stabilität (62 Prozent), Verfügbarkeit exzellenter Fachkräfte (56 Prozent) und relativ niedrige Lohnkosten (45 Prozent). Aktuell ist Deutschland bereits der siebtgrößte ausländische Direktinvestor in Indien. Mehr als die Hälfte der Studienteilnehmer (53 Prozent) plant, noch im laufenden Jahr ihre Investitionen in Indien auszuweiten. Vor zwei Jahren planten das nur 36 Prozent. In fünf Jahren wollen knapp drei Viertel (73 Prozent) in Indien investieren  - doppelt so viele wie 2021.

Vom Niedrigkostenstandort zum Standort für Forschung und Entwicklung

Bei der Produktion in Indien für den lokalen Markt erwarten deutsche Unternehmen einen rasanten Anstieg. Von ihnen produziert aktuell jedes dritte Unternehmen (33 Prozent) in der fünftgrößten Volkswirtschaft der Welt. Für 2028 plant das mehr als jedes zweite (53 Prozent). Ein Grund: Die Mittelschicht mit derzeit bereits 430 Millionen Menschen wächst voraussichtlich weiterhin stark. Ein besonderer Schub zeichnet sich für den Bereich Forschung und Entwicklung ab. 2023 betreiben erst neun Prozent F&E in Indien  - bis 2028 sollen es 25 Prozent werden. 

Die Ergebnisse zeigen, dass sich das Indien-Narrativ grundsätzlich ändert: Der Niedrigkostenstandort wandelt sich zu einem relevanten Standort für Forschung & Entwicklung. Aufgrund des ökonomischen Potenzials und qualifizierter Fachkräfte gilt Indien als unverzichtbar für die Diversifizierung der deutschen Wirtschaft. Besondere Schwerpunkte liegen in den Bereichen Umwelttechnik, Erneuerbare Energien, Digitalisierung, Industrie 4.0 und nachhaltige Infrastruktur.

Indiens Stärken im regionalen Vergleich

Indien als aufstrebender Wirtschaftsstandort weist einige Vorteile im regionalen Vergleich auf. So schätzt mehr als jedes zweite Unternehmen (53 Prozent) die englischsprachigen Fachkräfte, die in Zeiten virtueller Arbeitswelten international eingesetzt werden können. Ebenfalls 53 Prozent der Unternehmen loben das kontinuierlich hohe Wirtschaftswachstum. Es lag in den vergangenen Jahren  - Corona-Einbruch ausgenommen  - im Schnitt bei rund sieben Prozent. Im April 2023 löste Indien China zudem offiziell als das bevölkerungsreichste Land der Welt ab. Auch deshalb benennt knapp die Hälfte der Befragten Indiens wachsende Bevölkerung als Standortvorteil. Junge Arbeitskräfte und Konsument:innen sind Wachstumstreiber.

Bürokratie, Korruption und regulatorische Hürden als größte Herausforderungen

Indien steht aber auch vor großen Herausforderungen: Geopolitische Spannungen (42 Prozent) gelten als das größte exogene Risiko, gefolgt von der Möglichkeit einer neuen Pandemie in Indien (36 Prozent). Für beide Gefahren wird jedoch ein Rückgang innerhalb eines Fünfjahreszeitraums erwartet. In fünf Jahren wesentlich relevanter als aktuell sind den Befragten zufolge dagegen die Klimaerwärmung und Cyberangriffe mit je 40 Prozent.

Aktuell fühlen sich 53 Prozent der befragten deutschen Unternehmen durch Bürokratie und administrative Hürden beeinträchtigt. Korruption (47 Prozent) und das regulatorische Umfeld (31 Prozent) sind die am nächstmeisten genannten lokalen Herausforderungen  - und mit wesentlichen Fortschritten rechnen die Befragten bis 2028 nicht. Umso wichtiger sei es, die Verhandlungen über eine Handels- und Investitionsschutzabkommen zwischen der EU und Indien erfolgreich abzuschließen, betont Stefan Halusa, Hauptgeschäftsführer der AHK: „Das würde die Spielregeln deutlich verbessern.“ Andreas Glunz fasst zusammen: „Beim Markteintritt sollten operative Herausforderungen nicht unterschätzt werden. Es ist aber unübersehbar: Das Stimmung gegenüber Indien hat sich deutlich verbessert.“