BMF zu Einkünftezurechnung und KESt-Rückerstattung bei börsengehandelten Aktien

Tax News 2/2024

Kapitaleinkünfte

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Das BMF hat mit dem Wartungserlass 2024 unter Punkt 23.7 Aussagen zur Einkünftezurechnung bei Dividenden aus zentralverwahrten Aktien in die Einkommensteuerrichtlinien aufgenommen. Die EStR 2000 klären viele für die Praxis wichtige Fragen, wie z. B. die Zulässigkeit des FIFO-Verfahrens bei der Ermittlung der anrechnungs-/erstattungsberechtigten Anzahl von Aktien, die Behandlung von Market Claims oder die Dokumentationserfordernisse hinsichtlich der neuen Anforderungen an Erstattungsanträge.

2023 wurden in § 32 Abs. 4 EStG für zentralverwahrte, d.h. börsengehandelte, Aktien von den allgemeinen Grundsätzen abweichende Regeln zur Zurechnung der Dividenden geschaffen. § 32 Abs. 4 EStG ist mit 1. Juli 2023 in Kraft getreten und erstmals auf Zahlungen anzuwenden, deren Record-Tag nach dem 30. Juni 2023 liegt. Mit dem neuen Abschnitt 23.7 der EStR „Einkünftezurechnung bei Dividenden aus zentralverwahrten Aktien (§ 32 Abs. 4 EStG 1988)“, Rz. 6914 bis 6922 hat das BMF seine Rechtsansicht zur Auslegung von § 32 Abs. 4 EStG in die Einkommensteuerrichtlinien aufgenommen.

1. Einkünftezurechnung

Die Zurechnung einer Dividende aus einer zentralverwahrten Aktie gemäß § 32 Abs. 4 Z. 1 EStG setzt laut EStR Rz. 6915 voraus, dass wirtschaftliches Eigentum an den zugrundeliegenden Anteilen am Ende des Record-Tages besteht. Leistungsstörungen beim Handel, die zu so genannten Market Claims oder Reverse Claims führen, können laut EStR an der steuerlichen Zurechnung der Dividende nichts ändern.

2. Wirtschaftliches Eigentum an zentralverwahrten Aktien

Das wirtschaftliche Eigentum an depotverwahrten Gesellschaftsanteilen kann laut EStR nur bei jenem Steuerpflichtigen vorliegen, auf dessen Depot die Wertpapiere (die Aktien) tatsächlich eingebucht (geliefert) sind. Zudem müssen sämtliche sonstige für das Vorliegen des wirtschaftlichen Eigentums notwendigen Voraussetzungen erfüllt sein. Weil eine Aktie zum Ende eines Tages nur auf einem Depot eingebucht sein kann, sind Cum-Ex-Gestaltungen im Anwendungsbereich des § 32 Abs. 4 EStG nicht möglich.

3. Anrechnungs- bzw Erstattungsbegrenzung

Eine volle Anrechnung oder Rückerstattung setzt laut EStR Rz. 6919 voraus, dass der Steuerpflichtige ein angemessenes wirtschaftliches Risiko trägt und während der Mindesthaltedauer ununterbrochen wirtschaftlicher Eigentümer der zugrundeliegenden Anteile ist. 

Ein angemessenes wirtschaftliches Risiko setzt voraus, dass das Risiko aus einem sinkenden Wert der Anteile zu mindestens 70 Prozent wirtschaftlich selbst getragen wird. Laut EStR liegt dies beispielsweise dann nicht vor, wenn durch eine entsprechend ausgestaltete Wertpapierleihe, ein Pensionsgeschäft oder ein Derivat der Steuerpflichtige, dem die Einkünfte zuzurechnen sind, wirtschaftlich (nahezu) kein Kursrisiko trägt. Das Mindestwertänderungsrisiko ist während der Mindesthaltedauer durchgehend zu tragen.

Die Mindesthaltedauer umfasst 45 Tage und muss innerhalb eines Zeitraumes von 45 Tagen vor und 45 Tagen nach dem Record-Tag erreicht werden. Bei Bestandsveränderung innerhalb eines Depots rund um den Record-Tag ist nach den EStR im Zweifel davon auszugehen, dass früher angeschaffte Wertpapiere als zuerst veräußert gelten (FIFO).

4. Bagatellfreigrenze

Die Anrechnungs-/Erstattungsbegrenzung kommt nach den EStR nur bei Überschreiten der Bagatellfreigrenze zur Anwendung, wobei diese pro ausschüttender Gesellschaft (Bruttodividende) zu berücksichtigen ist und nicht pro Antragsteller für eine Rückerstattung.

5. Steuervorteil

Für das Vorliegen eines Steuervorteils soll laut den EStR auf das Gesamtbild der Verhältnisse abzustellen sein, wobei Gestaltungen vorgebeugt werden soll, die auf eine Vermeidung von Kapitalertragsteuer abzielen. Die Anrechnung bzw Erstattung der Kapitalertragsteuer soll aber nicht überhaupt, sondern nur insoweit versagt werden, als eine Transaktion zu einem Steuervorteil führt. Dies ist gemäß BMF u. a. dann der Fall, wenn „der Entleiher – anders als der Verleiher – nicht oder nur in geringerer Höhe der Kapitalertragsteuer unterliegt“.

6. Neue Bestätigungen

Für Rückerstattungsanträge sind neue, zusätzliche Bestätigungen beizubringen:

Bestätigung durch die depotführende Bank
Erforderlich ist nun die unterfertigte Bescheinigung der depotführenden Bank, dass sie keine Kenntnis von risikomindernden Geschäften in Zusammenhang mit dem Erwerb der von ihr verwahrten Aktien hat. Die Bescheinigung ist als eine Wissenserklärung zu verstehen. Sie kann wohl insbesondere dann nicht ausgestellt werden, wenn risikomindernde Geschäfte mit der depotführenden Bank selbst abgeschlossen worden sind oder dem Depotinhaber von dieser vermittelt worden sind.

Bestätigung durch den Antragsteller
Wurde die Mindestbehaltefrist eingehalten, hat bei Rückerstattungen der Antragsteller zu bestätigen, dass er das Risiko aus einem sinkenden Wert der Anteile im Umfang von mindestens 70 Prozent wirtschaftlich selbst trägt. Wurde die Mindestbehaltefrist nicht eingehalten oder kann der Antragsteller nicht bestätigen, dass er das Risiko aus einem sinkenden Wert der Anteile im Umfang von mindestens 70 Prozent wirtschaftlich selbst trägt, dann ist stattdessen zu bestätigen, dass er aufgrund der Antragstellung keinen steuerlichen Vorteil hat.

7. Ergebnis

Die Aussagen des BMF in den EStR zu § 32 Abs. 4 EStG bringen viele Klarstellungen, auf welche die Praxis schon seit längerem gewartet hat.