Zur Anwendbarkeit der zollrechtlichen Vorschriften für die Einfuhrumsatzsteuer

Tax News 2/2024

Umsatzsteuer

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Der EuGH hat sich in seinem Urteil vom 18. Jänner 2024, Hauptzollamt Braunschweig (Lieu de naissance de la TVA - III), C-791/22, mit der Frage beschäftigt, ob eine nationale Regelung, die die Verknüpfung des Ortes der Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer mit dem Zollrecht vorsieht, mit der MwStSyst-RL vereinbar ist. Der EuGH kommt zu dem Ergebnis, dass eine solche Verknüpfung in der MwStSyst-RL nicht vorgesehen ist und demnach der MwStSyst-RL widerspricht.

Sachverhalt

G. A. erwarb im September 2012 auf einem Markt in Polen Zigaretten und verbrachte die Zigaretten, ohne die zuständigen Zollstellen darüber zu informieren, in die Nähe von Braunschweig (Deutschland). In Deutschland übergab G. A. die Zigaretten an einen deutschen Käufer.

Das Hauptzollamt Braunschweig befand, dass die Zigaretten vorschriftswidrig in das Zollgebiet EU verbracht worden seien und daher die Zollschuld in Deutschland entstanden sei. Ferner sei auch die Einfuhrumsatzsteuer in Deutschland entstanden, weshalb das Hauptzollamt einen Umsatzsteuerbescheid erlies. Gegen diesen Umsatzsteuerbescheid erhob G. A. Einspruch.

Das Finanzgericht Hamburg hegte jedoch Zweifel, ob der Entstehungsort der Einfuhrumsatzsteuer tatsächlich in Deutschland ist: Der Ort der Einfuhr der Zigaretten lag in Polen, weil sie dort in den Wirtschaftskreislauf der Union eingegangen seien. Folglich wären die deutschen Zollbehörden für die Festsetzung und Erhebung der Einfuhrmehrwertsteuer nur unter der Voraussetzung zuständig, als die Einfuhrumsatzsteuer auf Grundlage einer rechtlichen Fiktion als in Deutschland entstanden gilt. Eine solche rechtliche Fiktion findet sich in § 21 Abs. 2 dUStG, wonach Art. 215 Abs. 4 UZK sinngemäß anwendbar ist. Demnach gilt die Einfuhrumsatzsteuer, sofern sie weniger als EUR 5.000 beträgt, als in dem Mitgliedstaat entstanden, in dem ihre Entstehung festgestellt wurde. Das Finanzgericht Hamburg hegt jedoch Zweifel, ob § 21 Abs. 2 dUStG mit der MwStSyst-RL konform ist und legte diese Frage dem EuGH vor.

Der EuGH führte eingangs aus, dass gem. Art. 60 der MwStSyst-RL die Einfuhr in dem Mitgliedstaat erfolgt, in dessen Gebiet sich der Gegenstand zu dem Zeitpunkt befindet, in dem er in die Union verbracht wird. Art. 60 MwStSyst-RL stellt demnach auf den Ort der Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer ab. Im Gegensatz dazu stellen Art. 70 und Art. 71 Abs. 1 MwStSyst-RL auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld ab. Zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld hat der EuGH bereits festgehalten, dass die Mitgliedstaaten eine Ermächtigung gem Art. 71 Abs. 1 MwStSyst-RL haben, den Zeitpunkt der Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer an den Zeitpunkt der Entstehung der Zölle zu knüpfen.

Fraglich ist jedoch, ob die MwStSyst-RL eine solche Verknüpfung auch zwischen dem Ort der Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer und der Zölle vorsieht, was der EuGH basierend auf der Wort- und systematischen Interpretation ablehnt. Diese Auslegung sei auch vom Territorialitätsgrundsatz gedeckt: Im Gegensatz zu Zöllen, deren Einhebung der EU unabhängig davon zustehe, welcher Mitgliedstaat sie erhebt, stehen die Einnahmen i. Z. m. der Einfuhrumsatzsteuer jenem Mitgliedstaat zu, in dem der Endverbrauch erfolgt. Im gegebenen Fall wurden die Zigaretten in Polen dem Wirtschaftskreislauf der EU eingeführt und waren zum Verbrauch in diesem Mitgliedstaat bestimmt. Demnach müsste die Einfuhrumsatzsteuer in Polen entstanden sein. Wenn Art. 215 Abs. 4 UZK Anwendung finden würde, würde das bedeuten, dass die Einfuhrumsatzsteuer in jenem Mitgliedstaat entstehen würde, in dem die Zollschuld festgestellt wurde, im gegebenen Fall in Deutschland. Dies stehe jedoch im Widerspruch zur steuerlichen Territorialität.

Ergebnis

Dieses Urteil zeigt, dass die in Art. 71 Abs. 1 MwStSyst-RL vorgesehene Verknüpfung zwischen der Entstehung der Zoll- und Einfuhrumsatzsteuerschuld sich ausschließlich auf den Zeitpunkt bezieht und keine Auswirkungen auf den Ort hat. Der EuGH betont, dass die Umsatzsteuer eine Verbrauchssteuer ist, und die Gegenstände zum Verbrauch in dem jeweiligen Mitgliedstaat bestimmt sein müssen. Da im vorliegenden Fall der Verbrauch der Zigaretten grundsätzlich in Polen gesehen wurde, hätten die deutschen Behörden zudem die Verpflichtung gehabt, die zuständigen polnischen Behörden über die Sicherstellung der Zigaretten zu informieren, um die Gefahr eines Steuerverlustes in Polen zu vermeiden.